Als die Eventsaison in diesem Jahr gerade losgehen sollte, hagelte es statt Aufträgen und Anfragen nur noch Absagen. Bereits vor den Verboten von Großveranstaltungen wurden viele Messen (für die ich gebucht war) von den Veranstaltern bereits gecancelled, schon als die WHO noch nicht einmal von einer Pandemie ausging.
Ich arbeite – und das seit 2016 hauptberuflich – als Bodypaintingkünstlerin, einem ungewöhnlichen Beruf, in den ich unerwartet über einen befreundeten Fotografen „hineingerutscht“ bin. Über Jahre hinweg konnte ich mir international einen Namen machen und schließlich sogar meinen ursprünglichen Beruf als Sprach- und Kreativtherapeutin „an den Nagel hängen“. Normalerweise bin ich in vielen verschiedenen Bereichen tätig: Vom Babybauchpainting, Privatauftrag oder Kinderschminken bis hin zu großen Messen, Werbekampagnen, Fernsehen, Musikvideos oder Shows. Gleichzeitig verkaufe ich auch Drucke von meinen Werken beispielsweise auf Kunstmessen. Kein Tag ist dabei wie der andere und es macht immer wieder Freude, lebende Kunstwerke zu erschaffen.
Selbstverständlich ist es als selbstständiger Künstler auch nicht immer leicht. Gerade in den Wintermonaten laufen die Anfragen für Bodypainting oft zäh, da viele Kunden von Winterspeck und Kälte eingeschüchtert sind.
Kaum lief es in diesem Jahr wieder an und die ersten Events standen in den Startlöchern, da kam das gesamte Geschäft direkt wieder zum Erliegen. Erst waren es nur die Messen. Dann folgten auch Absagen von kleineren Veranstaltungen, Kindergeburtstagen und schließlich platzten durch das Verbot von kosmetischen Behandlungen sogar die letzten verbliebenen Termine mit Privataufträgen.
Mit den Absagen kam bei mir erst das Entsetzen, dann Verzweiflung und schließlich eine Art Schockstarre, in der ich kaum noch in der Lage war, etwas zu tun. Unterbrochen wurde diese Starre dann von der Hoffnung auf Zuschüsse, wie sie Soloselbstständigen und Künstlern zugesprochen wurden.
Ziemlich bald kam die ernüchternde Erkenntnis: Viele Künstler bekommen gar nichts von den Hilfen oder nicht genug zum Leben. Weil sie durch das Raster fallen, weil sie nicht schnell genug waren, weil die Gelder in den verschiedenen Ländern verschieden verteilt wurden, weil die Töpfe plötzlich leer waren, weil das eigene „Gehalt“ nicht mitgerechnet wird, weil sie gar keine Geschäftsausgaben in Form einer Ladenmiete haben, weil sie noch Rücklagen und damit keinen Anspruch auf Gelder hatten oder weil ein Partner im Haushalt lebt, der die Ausgaben dann allein stemmen soll. Auch ich habe bis heute keinen Cent erhalten, muss mein über Jahre hinweg Erspartes für meinen Lebensunterhalt nutzen. Hinzu kommt, dass man als Künstler in der Künstlersozialkasse auch an eine künstlerische Tätigkeit gebunden ist und nicht beispielsweise Vollzeit als Erntehelfer einspringen darf.
Aber wie heißt es so schön? Not macht erfinderisch
Auf die Phase der verzweifelten Lähmung folgte bei mir der absolute Aktionismus. Da die Büroarbeit, die sonst einen Großteil meiner Zeit einnimmt, wegfiel, hatte ich auf einmal wieder Zeit zum kreativen Schaffen. Zwar waren Menschen als Leinwand tabu, aber echte Leinwände und Ölfarbe konnten als annehmbarer Ersatz herhalten. Ich habe noch nie so viele Bilder „produziert“, wie in diesen Wochen der Isolation. Zuerst wurde mein Wohnzimmer ausgestattet, dann wurden Bilder in sozialen Netzwerken publiziert und zum Verkauf gestellt. Gleichzeitig erarbeitete ich ein Konzept für Online-Malkurse und bot sie schließlich an: Die Teilnehmer bekamen sämtliches Material vorher per Post zugeschickt und wurden in einem zweistündigen Onlinekurs live angeleitet und unterstützt, ihr Bild zu malen. Leider waren sowohl Bildverkäufe als auch Malkurse zwar gefragt, lohnten sich finanziell aber kaum.
Das einzige, worauf ich momentan bauen kann, sind Aufträge im Bereich der Wandmalerei. Auch hier bin ich seit Jahren tätig, habe es aber bisher immer nur auf Anfrage gemacht und nie beworben. Jetzt versuche ich Aufträge zu akquirieren. Dabei werden alle Kanäle, wie social media oder ein sehr bekanntes Kleinanzeigenportal genutzt, auch wenn bei letzterem oft die Meinung vorherrscht, dass eine professionelle Wandbemalung nicht mehr wert ist als eine Pizza. Tatsache ist, dass ich aus der Not heraus Aufträge annehme (-n muss), die ich sonst keineswegs gemacht hätte. Ich freue mich trotzdem über jede Wand, die ich schmücken kann und mit jedem Kunden, der glücklich darüber ist und sehe es als Brücke, bis ich endlich wieder das machen kann, für das ich mich vor Jahren entschieden habe und bis das Leben endlich wieder auf normalen Wegen läuft.
Bis dahin nutze ich die Zeit von Corona aber auch privat: Neben neuen Beeten im Garten, lackierten Möbeln, gewachstem Parkett und geputzten Fenstern haben wir einen kleinen Hundewelpen aus dem Tierschutz aufgenommen der nun alle Zeit hat, sich einzugewöhnen – denn internationale Aufträge und Auslandsreisen werden wohl noch eine Weile kein Thema mehr sein.