Beschreiben Sie uns Ihre jetzige Position und den Weg, der Sie dorthin geführt hat.
Ich bin Geschäftsführerin der nordrhein-westfälischen Landestourismusorganisation, des Tourismus NRW e. V. Wir fördern die touristische Entwicklung im Land, auch für das Thema „MICE“. Dabei machen die Partner die eigentlichen Geschäfte, allen voran die Conventionbüros und vergleichbare Units. Wir unterstützen sie dabei etwa durch gemeinsame Messeauftritte, die Beteiligung an Forschungsverbänden und Förderprojekten oder den Transfer von Know-how und neuen beachtenswerten Entwicklungen an die kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Nordrhein-Westfalen ist nämlich auch im MICE-Bereich sehr vielfältig und heterogen: Städtisch und eher ländlich geprägte Destinationen haben ganz unterschiedliche Profile und bieten verschiedene Vorzüge für das Tourismusgeschäft von ländlich entspannt bis urban und hoch verdichtet. Auch die Akteure sind ganz unterschiedlich zusammengesetzt, vom kleinen Einzelbetrieb bis zu international agierenden Ketten, von den kleinen Locations bis zum UN-Standort. Da sind konzertierte Botschaften und gemeinsame Vermarktungen wichtig, um für den Kunden erkennbar zu sein.
Das Thema ist mir nahe, denn ich habe lange bei der Landesregierung gearbeitet, das heißt, mir sind einerseits die sehr vielfältigen Strukturen im Land bestens vertraut, aber auch Themen wie „Standortmarketing“, wofür ich vor meiner Zeit als Geschäftsführerin im Wirtschaftsministerium zuständig war. Dass ich ursprünglich aus dem Medienbereich komme, hat mir zudem immer geholfen, so zu kommunizieren, dass sich unterschiedliche Akteure auf gemeinsame Herausforderungen und Ziele einlassen; für eine Managementaufgabe in einer Verbandsstruktur ist diese Kompetenz sehr hilfreich!
Was macht die MICE-Branche für Sie besonders spannend?
Die MICE-Branche wie natürlich auch der Tourismus steht wie vielleicht keine zweite für internationale Vernetzung, internationalen Austausch. Sie bringt in einer globalisierten Welt die Menschen zusammen. Das ist eine ganz wesentliche Aufgabe – unter verschiedenen Gesichtspunkten: Zum einen haben der Austausch, Begegnungen zwischen Menschen, Geschäftspartnern, Gästen und Einheimischen eine stabilisierende Wirkung auf unsere Welt und stiften Frieden – welche Branche kann das schon von sich behaupten? Zum anderen entsteht durch Austausch auf Konferenzen, Messen und Meetings Neues. Die MICE-Branche schafft damit eine wesentliche Grundlage für Innovationen. Und letztlich steht natürlich auch eine enorme Wirtschaftskraft hinter der Branche. Wir haben das letztes Jahr in einer Studie für NRW untersuchen lassen und dabei kam heraus, dass allein das geschäftlich motivierte MICE-Segment bei uns für Konsumausgaben in Höhe von 2,3 Milliarden Euro im Jahr verantwortlich ist.
Wo sehen Sie innerhalb der Branche die größten Hürden für Frauen?
Ich glaube generell eigentlich nicht, dass Hürden für Frauen branchenspezifisch sind. In der MICE-Branche wird es für Frauen genauso gut oder schlecht aussehen wie in anderen Bereichen. Wie in vielen anderen Branchen ist es allerdings in der MICE-Branche schon so, dass sich Frauen immer noch zu oft zwischen Familie und Karriere entscheiden müssen, insbesondere wenn ich an Eventmanagerinnen denke. Das sind meistens die Ersten, die morgens da sind, und abends die Letzten, die gehen. Das ist mit Kindern natürlich dann schwierig, wenn das traditionelle Familienbild gelebt wird.
Hatten Sie in Ihrer bisherigen Laufbahn mit Vorurteilen zu kämpfen?
Vorurteile würde ich nicht sagen. Aber ich habe schon festgestellt, dass es unterschiedliche Herangehensweisen an die Arbeit gibt. Frauen sind meiner Erfahrung nach meistens bestens vorbereitet, wenn sie in einen Termin gehen oder ein Projekt voranbringen. Sie wollen gut sein und stellen Sachargumente in den Fokus. Für Männer geht es häufig um was ganz anderes. Sie wollen netzwerken und Strukturen für sich nutzen. Aber auch hier sehe ich gerade in der letzten Zeit, auch unter dem Einfluss zum Beispiel von New Work, wo sehr viel Wert auf Kooperation und Kollaboration gelegt wird, dass sich der Austausch und das Miteinander verändern und sich klassische Rollenbilder überleben.
Wie würden Sie selbst ihren Führungsstil beschreiben und was ist Ihnen dabei wichtig?
Erst einmal würde ich sagen, ich führe keine Menschen, ich möchte mit ihnen arbeiten. Die Stärken eines jeden Einzelnen möchte ich nutzen. Mir ist es wichtig, dass jeder ins Büro geht mit dem Gefühl, ich kann mich einbringen, mir wird auf Augenhöhe begegnet und ich werde wertgeschätzt. Ganz davon abgesehen werden Führungskräfte indirekt – ob man das will oder nicht – auch von ihren Mitarbeitern geführt und für solche Signale sollte man zumindest empfänglich sein.
Ein weiterer Punkt ist das Thema „Klarheit“ oder auch Transparenz. Ein Unternehmen braucht eine Vision, die es wert ist, geteilt zu werden, und dann aber auch davon abgeleitete Ziele, die alle kennen müssen. Das „Warum“, die Klarheit in der Frage und wie wir Erfolg definieren – daran müssen alle teilhaben – und das dann aber auch umsetzen.
Und als letzter Punkt: Unsere Arbeitswelt verändert sich gerade ganz massiv und wir alle werden Teil davon. Dem kann man nur mit größtmöglicher Offenheit für neue Instrumente begegnen – dies schließt auch ein neues Verständnis von Führung ein. Enabling ist für mich dabei ein überzeugenderer Anspruch als der klassische Anspruch „Eine(r) sagt, wie’s funktioniert“.
Wer hat Sie auf Ihrem bisherigen (Lebens-) Weg inspiriert?
Ich hatte meistens weibliche Vorgesetzte, bei denen ich das Gefühl hatte, dass es um Menschen geht. Menschen „funktionieren“ nicht. Das muss man anerkennen, ganz liebevoll, auch für sich selbst. Ich hatte das Glück, auf Frauen zu treffen, die das konnten, ohne dass damit ihre Autorität in Frage gestellt wurde. Das finde ich wichtig.
Was würden Sie Kolleginnen am Anfang ihrer Karriere mit auf den Weg geben?
Gerade am Anfang sollten sie sich breit aufstellen und schauen, welche flankierenden Kompetenzen und Skills für ihren weiteren Weg wichtig sind. Wir sprechen zwar immer vom lebenslangen Lernen und das ist auch richtig und wichtig, trotzdem ist es so, dass man nie mehr so gut lernt wie am Beginn. Berufseinsteigerinnen sollten sich fragen: Wo will ich hin? Was ist das – wie man heute so schön sagt – Narrativ meines beruflichen Weges? Und sich dann entlang dessen entwickeln, auch aus eigenem Antrieb. Vielleicht kommt es nicht so, dass sie nach ganz oben kommen, vielleicht wollten sie dies ursprünglich auch gar nicht. Aber man sollte immer vorbereitet sein – ein bisschen wie bei einer Brandschutzübung: Nicht vorbereitet sein, wenn der entscheidende Moment da ist, das gilt es auszuschließen. Also: Karriere machen ist nichts, was einem hinterhergetragen wird. Man muss es wollen und dafür einen Plan entwerfen.
Welche positiven Eigenschaften besitzen Frauen am Arbeitsplatz, aus denen wir alle mehr machen sollten?
Ich weiß nicht, ob man das heute tatsächlich noch so geschlechterspezifisch sagen kann. Wenn wir uns mal die gesellschaftliche Entwicklung ansehen, da übernehmen zum Beispiel Väter heute auch ganz andere Aufgaben als früher in der Familie, und ich denke, dadurch sind Männer heute auch ein ganzes Stück empathischer. Sie sehen sich nicht mehr in der alleinigen Verantwortung; das Team muss funktionieren. Auch im Studium wird auf so etwas heute ein ganz anderer Fokus gelegt als früher: Zu meiner Studienzeit gab es das nicht, dass Gruppenarbeiten abgegeben wurden und jeder seinen Teil dazu beitragen musste, dass das Ergebnis stimmt. Ich glaube, dass es heute verbreiteter ist, Verantwortung für das Ganze zu übernehmen, gemeinsame Erfolge zu erwirken und dazu gut miteinander umzugehen.
Warum, glauben Sie, reden wir immer noch über Geschlechterungleichheit bei der Arbeit? Und warum, glauben Sie, entwickelt das Thema heute so eine Dynamik, vielleicht mehr als jemals zuvor?
Wenn sich in der Familie die Frage stellt, wer massiv zurücksteckt, sind das meistens immer noch die Frauen. Sie arbeiten inzwischen zwar oft, aber nach ganz oben, wo es auch etwas rauher zugeht, werden dann doch meist die Männer geschickt. Ich glaube aber, dass sich unsere Gesellschaft sehr stark verändert – und da meine ich nicht nur Frauen- oder Männerrollen. Unsere Gesellschaft wird immer diverser, was zum Beispiel auch Religionen oder Kulturen angeht. Und ich glaube, dass sich all das bald viel deutlicher noch im Berufsleben auswirken wird. Da werden wir viel diversere Teams sehen und alte, einheitliche Strukturen werden sich überleben. Und da sind wir wieder bei der Eingangsfrage: Es wird durch unterschiedliche Herkünfte und Sichtweisen einen anregenden Austausch geben – und daraus kann Neues, können Innovationen entstehen. Auch im gesellschaftlichen Bereich!