Wenn Michel Prokop über die Profitabilität seines Hotels spricht, dann könnten einige Frankfurter Hoteliers ein wenig neidisch werden. Schon seit 2007 hat er regelmäßig 73 Prozent Auslastung. Seit zehn Jahren führt der General Manager sein Dolce in Bad Nauheim. Die Bedürfnisse seiner Gäste kennt er, die Zahlen hat er im Griff.
Vor allem aber hat er ein gutes Händchen für sein Personal. Die meisten arbeiten mehr als sechs Jahre in dem Haus in Bad Nauheim – ungewöhnlich für die Hotellerie, in der jüngere Leute mit einer Verweildauer von drei Jahren schon als alte Hasen bezeichnet werden. Weil sie sich offensichtlich sehr wohl fühlen an ihrem Arbeitsplatz, haben Prokops Mitarbeiter und Freunde ihm das mit einem grandiosen Jubiläumsfest gedankt. Als das Fest weit nach Mitternacht so langsam zu Ende ging, gestand er ein: „So manches Mal hatte ich Pippi in den Augen.“ Das passt so gar nicht zu dem sonst fröhlichen, aber auch zupackendem Charakter Prokops, der weiß: „Der Erfolg dieses Hotels liegt sehr stark in der Kontinuität meiner Mitarbeiter.“ Einmal im Jahr lässt der Direktor von einer externen Firma seine Mitarbeiter anonym befragen, was sie für verbesserungswürdig erachten. „Und was dabei herauskommt, das ist für mich der Maßstab. Denn wenn das Personal zufrieden ist, dann sind es die Gäste auch.“
Dass das Dolce „deutlich über dem Benchmarking des Frankfurter Marktes liegt“, wie das der General Manager ausdrückt, liegt aber auch daran, dass er das Haus konsequent auf MICE ausgerichtet hat.
Bad Nauheim ist ein hübscher Kurort am Rande der Wetterau nur 40 Kilometer von Frankfurt und 35 Kilometer vom Flughafen der Mainmetropole entfernt.
Wer mit der Verkaufschefin Angela Rittig-Boucher das gesamte Haus sehen will, muss gut zu Fuß sein. Es hat 27 Tagungsräume auf 2.750 Quadratmetern. Diese 27 Räume bilden den Raum für – auf Wunsch – vier vollkommen voneinander getrennte Tagungsbereiche. Wer sich dort hinsetzt, dessen Rücken wird angenehm überrascht: Es gibt überall einstellbare, moderne Bürostühle. Wie in den 159 Zimmern auch, haben alle Gäste den Blick in den wunderbaren sechs Hektar großen Kurpark. Die internationale Kundschaft, vor allem aus der Automotive-Industrie, aber auch Pharmazie und Medizin schätzt das.
Der Platanenhof zum Kurpark ist so schön, dass man ihn unter Naturschutz stellen sollte. Unter den alten Bäumen haben schon zahlreiche Firmen beispielsweise zum Barbecue geladen.
Was angenehm auffällt: Es gibt keine dunklen Räume. Alle sind von Tageslicht erfüllt. Stilvoll ist auch der Spiegelsaal mit einer Kapazität für bis zu 160 Personen, um den sich die Veranstaltungsplaner reißen. Abgesehen davon kann Küchenchef Wolfgang Prost für 1.200 Leute auf einmal auf hohem Niveau kochen; besonders die heimischen Gerichte wie beispielsweise das Reh mit Kürbis schätzen die Tagungsteilnehmer.
Die irischen Besitzer, die Prokop sehr schätzen, wie während der Jubiläumsveranstaltung von ihnen zu hören war, wissen offenbar, wie wichtig Reinvestitionen sind: Das ganze Gebäude ist in einem hervorragendem Zustand. Das Land Hessen hatte das ehemalige Kurhaus im Jahr 2002 an die Private Equity Group von der grünen Insel veräußert.
Leuchtende Augen bekommt Prokop, wenn er von seinem Theater spricht. Der 103 Jahre alte Saal war früher einmal der gesellschaftliche Mittelpunkt Bad Nauheims – und weit darüber hinaus. Albert Einstein legte hier seine Relativitätstheorie erstmals einem staunenden Fachpublikum dar. Und Stars wie Udo Jürgens oder Mario Adorf füllten schon die stilvolle Räumlichkeit. Bei Schweißarbeiten im Dachstuhl waren Teile des Theater 1980 abgebrannt. Und wenn nicht ein geistesgegenwärtiger Mitarbeiter seinerzeit die Brandschutztüren zugeworfen hätte, wäre noch viel mehr passiert. Zwei Jahre währte der Wiederaufbau. Was Prokop in die Hand nimmt, das erfährt offenbar eine ungeheure wirtschaftliche Prosperität: „Wir haben inzwischen das wirtschaftlichste Theater in Deutschland.“ Das im Jugendstil wieder errichtete Gebäude verfügt über 720 Sitzplätze und bietet 250 Quadratmeter Bühnenfläche und ist zu 90 Prozent ausgelastet; oft morgens und abends noch einmal.
Konzerte, Theateraufführungen und Ausstellungen laufen hier regelmäßig. Food and Beverage für diese öffentlichen Veranstaltungen generieren einen „nicht unerheblichen Teil des Umsatzes hier“, drückt sich Prokop aus. Vor allem aber bietet Verkaufschefin Angela Rittig-Boucher den Tagungsgästen das Theater an. Was denen geboten wird, das schauen sich die beiden Hotelprofis immer wieder gerne an, „weil uns dann vor Freude ein Schauer über den Rücken läuft“, erzählt die Verkaufschefin. Während sich die MICE-Gruppe noch in plüschig-gemütlichen Klappgestühlen sitzend fragt, welche langweilige Rede ihr Chef nun wohl halten wird, passiert Folgendes: Das Licht wird langsam immer dunkler – und plötzlich fährt ganz langsam eine brennende Kerze aus dem Boden. Möglich macht das der hydraulisch versenkbare Orchestergraben, der hoch gefahren wird. Nach der Kerze werden – ganz langsam – Stuhlrücken sichtbar; schließlich eine fein gedeckte Tafel: Die Mitglieder des Unternehmens oder die Eingeladenen werden dann zu einem feinen Abendessen auf die Bühne gebeten – ganz ohne langweilige Reden. „Dinner on stage“ nennt Prokop das einzigartige Konzept.
Wenn die Tagung zu Ende ist, wartet ein für Hotelverhältnisse ungeheuer großzügiges Hallenbad (8 mal 20 Meter) auf sportlich ambitionierte Schwimmer. Im Wellness-Bereich fällt auf, dass sich hier nicht nur MICE-Gäste tummeln, sondern auch Bad Nauheimer Stammgäste. Wen das Meeting noch nicht zum Schwitzen gebracht hat, kann das in drei neu sanierten Saunen in angenehmerer Weise nachholen.
Dass General Manager Prokop noch mehr kann als Hotels profitabel zu führen, haben die irischen Investoren auch erkannt. Neben seinem Job in Bad Nauheim ist er auch für die Entwicklung neuer Standorte für die Dolce-Gruppe verantwortlich. Derzeit schaut er sich besonders in Österreich, Schweiz und in Deutschland (Rhein-Ruhr und Hamburg) um. Zu -Dolce Hotels and Resorts gehören gehobene Hotels, Resorts und Konferenzzentren in Nordamerika und Europa. Die Broad-reach Capital Partners beschäftigen über 4000 Mitarbeiter weltweit. Zum Dolce-Portfolio gehören 23 Anwesen in Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien, im kanadischen Ontario sowie in den USA.
Von Thomas Grether
Das Jugendstil-Theater nutzen viele MICE-Kunden, wie hier ein Motorrad-Hersteller.
Foto: Dolce, Bad Nauheim