Keine Angst vor dem Pharma Kodex!

Das Feld der rund 385.000 humanmedizinisch tätigen Ärzte in Deutschland bietet Eventplanern zahlreiche Möglichkeiten. Die Berufsordnung der Ärzte schreibt kontinuierliche Fortbildung vor und der Gesetzgeber verlangt den Erwerb von 250 Fortbildungspunkten binnen fünf Jahren. Beschränkt wird der lukrative Markt, den Deloitte 2009 auf 1,3 Mrd. Euro jährlich schätzte, durch die Regeln der Landesärztekammern und des Pharma-Kodex. Wir fassen zusammen, worauf Planer achten sollten, die Apotheker und Ärzte aus Praxen und Krankenhäusern zur Fortbildung einladen.

Pharma Kodex
Foto: LeoWolfert/shutterstock.com
Fallbeispiel : Tagungsort Prien am Chiemsee zu reizvoll Der FSA entscheidet, an welchen Orten Fortbildungsevents für Ärzte konform zum Pharma-Kodex sind. Wenn der Ort touristische Reize bietet, kann eine Strafe erfolgen. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Arzneimittelhersteller lud Hausärzte zu einem interdisziplinären Kolloquium in das Vier-Sterne- Yachthotel Chiemsee nach Prien ein. Die Ärztekammer Bayern zertifizierte die Veranstaltung mit CME- Punkten. Thematisch ging es um fünf Indikationsgebiete des Unternehmens. Die Teilnehmergebühr für die teilnehmenden Ärzte bei Übernachtung betrug 75 Euro. Im Juni 2017 nahmen 82 Ärzte am Kolloquium teil. 31 kamen aus der Region Nürnberg/Erlangen, 26 aus der Region Augsburg, jeweils etwa zehn aus dem Landkreis München und der Region Ingolstadt. Das Programm begann am Freitagabend mit Begrüßung, Fachreferat und Abendessen. Am Samstag folgten fünf Fachbeiträge, unterbrochen von zwei Kaffeepausen und einem Mittagsimbiss. Die Tagung endete gegen 16.30 Uhr. Dem FSA ging eine anonyme Beanstandung zu, da die Fortbildung in einem Hotel mit überwiegendem Freizeitcharakter stattgefunden habe. Obwohl das Yachthotel Chiemsee als Tagungshotel mit entsprechender Technik keine kostenlosen Wellness-Anwendungen oder besondere Freizeitmöglichkeiten bot und das straffe Veranstaltungsprogramm keine Freizeitgestaltung erlaubte, stellte der FSA einen Kodex-Verstoß fest. Der Ort sei für die Teilnehmer weder zentral gelegen noch gut erreichbar gewesen. Ihm käme nach Meinung des Spruchkörpers der FSA eine besondere Attraktivität mit hohem Freizeitwert zu. Nach Auffassung des Schiedsgerichts war nicht erheblich, dass die Veranstaltung ursprünglich für einen regional weiter gefassten Teilnehmerkreis geplant war. Unternehmen sollten Tagungsstätten vermeiden, die für ihren Unterhaltungswert bekannt sind oder als extravagant gelten. Der Arzneimittelhersteller wurde zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 20.000 € verpflichtet.
Die beste Medizin nützt nichts, wenn der Arzt sie nicht kennt und daher nicht verschreibt. Die Forscher aus Universitäten und pharmazeutischen Unternehmen müssen die praktizierenden Ärzte also treffen und  unterrichten. Wer medizinische Fortbildungen für Ärzte durch  Sponsoren  aus der Pharmaindustrie finanziert, muss die finanzielle Unterstützung in Euro und alle Gegenleistungen offen ausweisen. Zu den Gegenleistungen können beispielsweise die Größe des Aus- stellungsstandes in der Industrieausstellung, die Nennung und Darstellung der Sponsoren sowie ihrer Firmenlogos, Darstellung der Anbieterprofile, Präsentationen und die Teilnahme von Mitarbeitern der Sponsoren an der Veranstaltung zählen.

Eine deutliche Trennung zwischen wissenschaftlich ausgewogener medizinischer Fortbildung auf der einen Seite und der Darstellung der Sponsoren und ihrer Angebote auf der anderen Seite ist im Pharma-Kodex festgeschrieben. Um den wissenschaftlichen Charakter nicht zu gefährden, muss der Tagungsort nach sachlichen Gesichtspunkten wie Erreichbarkeit und dem Fehlen jeglicher Freizeitoptionen ausgewählt werden. (Siehe Fallbeispiel: Tagungsort Prien am  Chiemsee zu reizvoll). Der Umfang der Bewirtung auf Kongressen steht in besonderem Fokus (siehe: Aus den Leitlinien des Vorstands des FSA). Ein Rahmenprogramm zur mentalen Erholung darf zeitlich nur sehr eingeschränkt angeboten werden. Die Verteilung von Werbemitteln an teilnehmende Ärzte ist vollständig untersagt.

Fortbildungsverpflichtung: Continuous Medical Education CME

Seit 2004 ist das medizinische Fortbildungswesen reglementiert und wird zunehmend transparenter. Die Landesärztekammern regeln, wie  viele  Fortbildungspunkte die Teilnehmer medizinischer Events wie Kongresse, Seminare, Übungsgruppen,  Kurse, Kolloquien und Qualitätszirkel erhalten. Bis zu acht CME-Punkte sind pro Tag erreichbar. Die Inhalte müssen „frei von wirtschaftlichem Interesse“ sein. Diese Unabhängigkeit wird bei den Ärztekammern der Länder unterstellt. Externe Anbieter müssen sie nachweisen.

Traditionell pflegen die Arzneimittelhersteller einen engen Kontakt zu den Verschreibern und unterstützen zahlreiche Events zur medizinischen Fortbildung finanziell. Neben den Praxisbesuchen sind die Fortbildungsveranstaltungen im Rahmen der Continuous Medical Education CME ein wichtiger Baustein der Beziehungspflege. Durch ihre regelmäßigen Informations- und Fortbildungsveranstaltungen haben die Pharmaunternehmen über viele Jahrzehnte für ein hohes Informationsniveau auf aktuellem Stand der Wissenschaft gesorgt. Um die Ärzte zur Teilnahme zu motivieren, wurde bei einigen Events für etwas höheren Komfort gesorgt.

Dabei soll es früher vorgekommen sein, dass sich Ärzte mit Referenten der Pharmaunternehmen gemütlich zum Kamingespräch im Fünf-Sterne-Skiresort trafen. Der Arzt kam in Begleitung und verbrachte den Tag auf der Skipiste, um sich zwischen Après-Ski und Abendessen über die Innovationen des Sponsors zu informieren. Wie oft Treffen in der  Vergangenheit so verliefen, lässt sich kaum feststellen. Aktuell wagt niemand mehr, derartige Events als medizinische Fortbildung zu bezeichnen.

Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V. (FSA)

Während die Fortbildungen der Ärztekammern vor allem in eigenen Räumlichkeiten durchgeführt werden, nutzen externe Anbieter neben Klinikräumen und Universitäts-Hörsälen vor allem Hotels und Venues. Die technische Ausstattung funktioniert und das Catering schmeckt den Teilnehmern.

Damit die Kosten im Rahmen bleiben und der wissenschaftliche Charakter ungetrübt bleibt, gründeten einige Mitglieder des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) den Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA). Der FSA mit Sitz in Berlin stellte 2004 den Pharma-Kodex auf und legte fest, wie medizinische Fortbildungen durchzuführen sind. Mittlerweile haben sich 55 pharmazeutische Unternehmen  dem FSA angeschlossen und den Kodex für Fachkreise unterzeichnet. Die 55 Unternehmen decken rund drei Viertel des deutschen Marktes für verschreibungspflichtige Medikamente ab. Events, die von Nichtmitgliedern finanziert werden, fallen in der Regel nicht unter den Kodex.

Dem gesamten Artikel zum Pharma Kodex finden Sie hier

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