Mehr als ihre Weltleitmessen
Hannover ist nicht erst seit gestern als Messestadt berühmt – schließlich begrüßt die niedersächsische Landeshauptstadt bereits seit 1947 jährlich Millionen an Messebesuchern. Mit über 460 000 Quadratmeter Hallenfläche und 58 000 Quadratmeter Freifläche ist das Messegelände das weltweit größte. Zahlreiche renommierte Fach- und Leitmessen finden in Hannover statt und ziehen jährlich internationales Fachpublikum an. Beispielsweise die CeBit oder die IAA Nutzfahrzeugmesse. Hannover hat rund 530.000 Einwohner, Bahnhofstraße und Georgstraße sind beliebte Einkaufsstraßen. Besucher und Bewohner der Stadt an der Leine freuen sich auch über die historische Fachwerkkulisse der Altstadt. Seit der Expo im Jahr 2000 hat sich Hannover endgültig auch als Standort für Kongresse etabliert. In über 300 Hotelbetrieben aller Klassifizierungen stehen 26.000 Betten bereit. Und weil die Weltausstellung eine mustergültige Infrastruktur zurück gelassen hat, ist die Universitätsstadt auch für ihre guten Verkehrsvernetze sowie die ausgezeichnete nationale und internationale Anbindung bekannt.
„In Hannover hat sich eine ungeheure Vielzahl an erstklassigen Locations etabliert“, sagt Joachim König, Chef des Hannover Congress Center (HCC). Er kann Vergleiche ziehen, denn er hat einen ehrenamtlichen Job, den er als „mein Hobby“ bezeichnet: Präsident des Europäischen Verbandes der Veranstaltungs-Centren e.V. (EVVC). Die Veranstaltungsindustrie in Deutschland kennt er wie seine Hosentasche. Selbst zugezogen, sieht er „Hannover als Tagungsort auf Weltniveau“. Die Stadt an der Leine hat für jede Veranstaltungsgröße etwas zu bieten: Von der HDI-Arena, der TUI-Arena oder der Swiss Live Halle über den Flughafen, das GOP Varieté-Theater, den „Gartensaal“ im Neuen Rathaus oder den Erlebniszoo. Und die ehemaligen Expo-Pavillons bieten sich natürlich auch an für ausgefallene Events. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Hannover über einen Grünflächenanteil von über elf Prozent im circa 200 Quadratkilometer großen Stadtgebiet verfügt. Mit dem Stadtwald Eilenriede und dem Maschsee liegen gleich zwei beliebte Naherholungsgebiete inmitten der Großstadt. Mit seiner idyllischen Uferpromenade bietet der Maschsee nicht nur für Einheimische Erholung, Sportmöglichkeiten und in Form vieler Restaurants und Biergärten Genuss. Auch für Rahmenprogramme eignet sich der 78 Hektar große See. Es kann gesegelt werden oder ein Drachenbootrennen veranstaltet werden.
Königs Reich: Im Hannover Congress Centrum wird Jahr für Jahr saniert
Es hat schon seinen Grund, warum die Vereinsmitglieder des Europäischen Verbands der Veranstaltungs-Centren (EVVC) Joachim König zu ihrem Präsidenten gewählt haben. Der Mann ist ein unabhängiger Geist. Er neigt keinesfalls zur Kollegenschelte. Aber wenn er Kritik übt, auch an den eigenen Kollegen, dann ist das fundiert. Klar ist, wer ein älteres oder gar historisches Kongresshaus managt, muss sanieren. „Das geht nur Schritt für Schritt und Jahr für Jahr“, sagt König. So macht er es in seinem eigenen Haus. Der Direktor des Hannover Congress Centrum (HCC) investiert seit 2007 einmal im Jahr zwei bis drei Millionen Euro in seine historische Immobilie. Bis zum Juni 2015 will er die Kuppel des Kuppelsaals optisch und akustisch sanieren, was sieben Millionen Euro verschlingen wird. „Für Symphoniekonzerte, deren Größe, aber auch deren besonderer Akustik wegen wir unschlagbar sind.“ Also immer eins nach dem anderen. „Da sind noch viele Kollegen falsch unterwegs“, sagt König. „Es ist völlig verkehrt, ein Jahr komplett zu schließen und alles auf einmal machen zu wollen.“ So viel Geld könnten die ohnehin äußerst klammen Kommunen als Eigentümer meist nicht auf einmal aufbringen. „Und wer kann verschmerzen, auf einen ganzen Jahresumsatz zu verzichten“, fragt er rhetorisch. Zudem gebe es ohnehin kein einziges kommunales Kongresszentrum in Deutschland, das Geld verdient. „Nur wer die Umwegrentabilität einrechnet, schreibt schwarze Zahlen“, erklärt König.
Die Umwegrentabilität ist ja sowieso eine umstrittene Messgröße. Klar ist, dass durch Kongresse und andere Veranstaltungen die Übernachtungszahlen und die Auslastung der Gastronomie steigt, eventuell auch der Einzelhandel von den Angereisten profitiert. Sich aber als Kongresshaus damit – also mit der Umwegrentabilität – reich zu rechnen, wenn die Einnahmen geringer sind als die Ausgaben, ist schon ein echt betriebswirtschaftlich bedenkliches Phänomen. Vielleicht verstehen es ja die Volkswirte besser.
Der ehrliche Joachim König weiß um diesen Umstand und verweist darauf, dass es in ganz Deutschland kein einziges kommunales Kongresshaus gibt, das wirkliche Gewinne abwirft. Die Stadtväter von Hannover jedenfalls sind mit König sehr zufrieden. Der EVVC ist „mein Hobby“, im Hauptberuf ist er HCC-Boss. Denn er schreibt eine operativ schwarze Null, wenn er die Abschreibungen und Zinsen herausrechnet. Das HCC als eine der größten, messeunabhängigen Kongresszentren Deutschlands hat im vergangenen Jahr 1124 Veranstaltungen beherbergt, davon 34 Konzerte und 806 Kongresse – also mehr als zwei Conventions pro Tag des Jahres und 380.000 Besucher. Weil das HCC die HDI-Arena catert, verdiente König bei 1473 Veranstaltungen auch dort gutes Geld. Denn wer rechnen kann, weiß, dass selbst wenn dort nur Hannover 96 spielt, Robbie Williams oder Bruce Springsteen singen, die Logen voll sind (und meist ziemlich fein getafelt wird), die Besucher auf den Tribünen Bier trinken, es die schiere Masse macht: 1,3 Millionen Besucher waren dort – und fast jeder hat etwas gegessen und getrunken Das HCC wird in diesem Jahr 100 Jahre alt und der Chef verblüfft mit der Aussage. „Wir machen zum Jubiläum nichts, was erwartet wird.“ Doch wer König dann zuhört, hört den Veranstaltungsprofi heraus. Denn 300 Jahre ist es her, dass die Welfen aus Hannover den englischen Thron bestiegen. Zahlreiche Veranstaltungen überall in der Stadt erinnern daran. „Dagegen anzustinken ist ziemlich sinnlos“, sagt er in seiner trockenen und analytischen Art. König weiß, dass es nutzlos ist, teures Public-Relations-Getöse erklingen zu lassen, wenn keiner zuhört. Da erinnert das HCC an seine hundertjährige Geschichte lieber mit ideenreichen Veranstaltungen, die nicht viel kosten. Etwa mit einer Plakatausstellung der vergangenen 100 Jahre. Oder, indem 100jährige eingeladen werden und darüber plaudern, ob sie vielleicht auf einer Veranstaltung in der damaligen Stadthalle ihren Schwarm getroffen haben.
Doch zurück zum Geschäft, das etwas bringt. König führt ein Haus, in dem die Corporate Events, die Kongresse und die Seminare die Musik machen. „Tradition und Innovation“ lautet das Alleinstellungsmerkmal. Schöne Räume, bei einer Wohnung würde man sie aufwändig renovierter Stilaltbau nennen, hervorragende Technik. „Wir haben fast 40 Konferenzräume“, sagt König, da haben wir einen Vorteil gegenüber der Hotellerie, denn ohne diese Breakout-Rooms und Seminarräume für zeitgleiche Parallelveranstaltungen „kommen sie nicht an die großen Kongresse ran“. Mit recht stolz, führt er seinen Besucher persönlich durch sein König-Reich. Es geht durch die oberen Festsäle, drei an der Zahl mit gemeinsamem Foyer; überall angedeuteter Jugendstil mit Fototapeten. Die Sanitärräume wurden mit viel Liebe zum Detail auf hervorragendem Niveau saniert. An den Decken im oberen Foyer des Kuppelsaals sind Originalmalereien restauriert. „Das HCC ist jetzt ein anerkanntes Denkmal von landesweiter Bedeutung“, sagt König. Vielleicht hilft das ja, wenn Fördermittel fließen sollen; etwa für die Fassade. Denn König gibt dem Inneren, getreu seiner Strategie, schrittweise zu sanieren, den Vorzug. Oberflächlichkeit ist aber nichts für ihn. Außen hui und Innen pfui – das gibt es mit ihm nicht. In der Glashalle, die seit 1951 das Raumangebot ergänzt, sind Parkettboden, Hallendecke, Wände, Vorhänge neu. Die Eilenriedhalle mit der größten Raumfläche von 3500 Quadratmetern wurde ebenso modernisiert; das Parkett hat König rausreißen und durch einen wertig wirkenden, hoch elastischen Naturkautschuk-Boden ersetzen lassen.
Direkt ans HCC angeschlossen ist das Hotel am Stadtpark. Vom äußeren Erscheinungsbild kann es zwar nicht mit dem HCC mithalten. Aber von den 258 Zimmern sind 222 tiptop renoviert; viele mit einem phantastischen Blick in den Park. Hotel-Repräsentant Yannik Schröder verweist auf die enge und gute Kooperation mit dem HCC und die Kongresspakete mit Übernachtungen, die geschnürt werden können. Hoteleigner Jörg-Walter Koch wird sich ob seiner Auslastung nicht beschweren können.
Eine neue Halle auf dem Messegelände für Kongresse, Meetings und Events
Frage eins: Was macht der Betreiber des größten Messegeländes der Welt, wenn keine großen Messen laufen? Und Frage zwei: Was macht eben dieser Betreiber namens Deutsche Messe Hannover, wenn zeitgleich bis zu acht verschiedene Messen laufen? Antwort auf beides: MICE. „Neben der klassischen Ausstellung reift bei unseren Kunden immer mehr die Erkenntnis, dass die direkte Kommunikation mit dem Kunden das effektivste Marketinginstrument überhaupt ist“, sagt Stefan Köster. Der Leiter der Abteilung Neue Messen, Events und Gastveranstaltungen hat im vergangenen Jahr etwa 70 Corporate Events auf dem Messegelände zu Gast gehabt. Erst vor wenigen Wochen hat ein Handelskonzern 5.000 Mitarbeiter zu einem aufwändigen Dinner mit Event aufs Hannoveraner Messegelände geladen.
Hannover ist auch ein bedeutender Gesundheitsstandort. Die Messe hat deswegen mit Partnern eine eigene GmbH gegründet, die internationale Medizinkongresse anlocken soll. Im vergangenen Jahr lief vom 20. bis 23. März 2013 im Convention Center der Messe der 54. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin mit rund 4.000 Experten. Mehr als 2.500 Implantologen trafen sich zur Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien. Anfang dieses Jahres fand ein Jahrestreffen der Gesellschaft für Neurologische und intensivmedizinische Medizin statt. Auch die Automotive-Branche liefert Mitarbeitern und Kunden Wissen. Oder feiert auf dem Hannoveraner Messegelände gute Abschlüsse mit dem Vertrieb – schließlich verkaufen die Premiumhersteller Mercedes, BMW und Audi ihre Modelle weltweit wie geschnittenes Brot. In ganz Niedersachsen profitieren Automobil-Zulieferer von A – wie die Algorithmica Technologies GmbH – bis Z – wie die ZF Friedrichshafen AG im Automobilbereich. International erfolgreiche Markennamen wie Bosch, Continental, Denso, Nexans Deutschland und Wabco gehören dazu, um nur einige zu nennen. Regelmäßig locken Auto-Kongresse und Messen ein internationales Publikum zum Know-how-Austausch. So feiert in diesem Jahr die weltgrößte Messe der Automobilität, die IAA mit ihrer Ausgabe für Nutzfahrzeuge, vom 25. September bis zum 2. Oktober auf dem Messegelände Hannover unter dem Motto „Zukunft bewegen!“ ihr 65-jähriges Bestehen. „Zum Messestand, oft auch vor oder nach der eigentlich Schau, werden immer mehr zusätzliche Räume gebucht, wo MICE eine tragende Rolle spielt“, berichtet Hartwig von Saß, Pressechef der Deutschen Messe Hannover.
Blickt man aus dem Büro von Messe-Manager Köster, sieht der Besucher Heerscharen von Bauarbeitern, Bagger riesiges Betonfundament. „Immer mehr Kunden fragen nach Tagungsfläche – und wir hören Ihnen genau zu “, sagt er. Die Hallen im Norden des Geländes lässt er über separate und direkt angebundene Eingangsanlagen Nord 1 und 2 erschließen. Rund 9.000 Parkplätze sowie der Stadtbahnanschluss Linie 8 befinden sich direkt vor den Hallen 2 und 19. Der Kombination mit angrenzenden Hallen im Nordwesten oder Osten sind keine Grenzen gesetzt. „Aber unser Highlight ist die neue Halle 2“, berichtet Köster: eine 15.515 Quadratmeter große, säulenfreie Halle mit direktem Zugang zu Konferenzräumen, Büros und Cateringeinheiten. Anfang des Jahres 2015 ist die multifunktionale Halle 19/20 fertig, in der sich ebenfalls große Tagungsbereiche, Ausstellungsfläche und Cateringfläche kombinieren lassen. Die bisherige, nicht multifunktionale Kongresshalle bleibt bestehen. Die Messe braucht auch diesen Platz.
Von Thomas Grether
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