Frauen in Führungspositionen sind ein heiß diskutiertes Thema. Für uns Grund genug, einige der „ Female Leaders “ genauer vorzustellen. Für diese Ausgabe sprach CI mit Dr. Bettina Bunge, Geschäftsführerin der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein.
Frau Dr. Bunge, vor einem guten Jahr wechselten Sie von Dresden nach Kiel. Beschreiben Sie uns Ihre jetzige Position und den Weg, der Sie dorthin geführt hat.
Seit November 2017 bin ich Geschäftsführerin der Tourismus-Agentur Schleswig- Holstein GmbH, der offiziellen Landes- marketingorganisation für den Tourismus- und Tagungsstandort Schleswig-Holstein, mit einem Team von 20 Kolleginnen und Kollegen. Nach BWL-Studium und Promotion im Dienstleistungsmarketing habe ich bei der Deutschen Lufthansa AG, der Qivive GmbH, der Deutschen Zentrale für Tourismus e. V., der Hamburg Tourismus GmbH und der Dresden Marketing GmbH gearbeitet. Dazu kommen Ehrenämter unter anderem als VP Meetings Industry bei der European Cities Marketing Association, als Vorsitzende der Konferenz Tourismus des Deutschen Städtetages und in weiteren Verbänden. Mein beruflicher Weg war so nicht absehbar, mit Höhen und Tiefen verbunden, aber dank vieler Menschen immer spannend und voller Möglichkeiten der Weiterentwicklung.
Was macht die MICE-Branche für Sie besonders spannend?
Die MICE-Branche ist innovativ, immer in Bewegung, sehr kundenorientiert und global agierend. Die internationale Zusammenarbeit wird gelebt, Megatrends werden beachtet, auf Krisen wird professionell reagiert. Resilienz und Agilität sind keine Fremdworte. Für Schleswig- Holstein steckt das MICE-Business teilweise noch in den Kinderschuhen. Wir verfügen über vielfältige Tagungsmöglichkeiten, außergewöhnliche Locations und relevante Kompetenzfelder. Aber unser Bundesland ist eher als Urlaubsland bekannt und weniger im „relevant set“ der Tagungsplaner. Hier haben wir zunächst erst mal ein Schleswig-Holstein Convention Bureau gegründet und ein Branchennetzwerk aufgebaut, um für den Kunden als zentrale Anlaufstelle und Netzwerkknoten fungieren zu können.
Wo sehen Sie innerhalb der Branche die größten Hürden für Frauen?
In der Studie „Tagung und Kongress der Zukunft“ des German Convention Bureau e. V. wird der Megatrend „Demographischer Wandel, Feminisierung und Diversity“ analysiert. Die Zukunft ist weiblich, das heißt der Einfluss von Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik nimmt stetig zu. Aber auch in der MICE-Branche gibt es noch Unterschiede bei der Bezahlung, in der Besetzung von Top-Positionen und in Machtstrukturen. Meines Erachtens liegt eine branchenunabhängige, eher mentale Hürde für Frauen darin, dass sie sich teilweise Führungsjobs nicht zutrauen, risikoaversiver sind und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht stärker von ihrem Umfeld einfordern.
Hatten Sie in Ihrer bisherigen Laufbahn mit Vorurteilen zu kämpfen?
Hat das nicht jeder in unserer Branche? Mark Twain sagte zwar mal, Reisen sei fatal für Vorurteile, Bigotterie und Engstirnigkeit, aber genau damit werden wir doch oft konfrontiert, wenn wir ein fremdes Land bereisen oder Gäste aus fremden Ländern begrüßen dürfen. Das ist ebenso menschlich wie als Frau mit den klassischen Vorurteilen konfrontiert zu werden. Und dabei ist das Schlimmste nicht einmal, dass Frauen angeblich nicht führen könnten, sondern dass man diese Position lediglich innehabe, weil man Frau sei und dies halt quotentechnisch nett aussehe. Wichtig ist immer, dass man Vorurteilen offensiv begegnet und sie damit ad absurdum führt. So reagiere ich immer – egal ob es darum geht, ob ich eine Frau bin, woher ich komme oder wie ich mich kleide.
Wie würden Sie selbst ihren Führungsstil beschreiben und was ist Ihnen dabei wichtig?
Jetzt könnte ich mit Lehrbuchwissen glänzen und „integrativ“ oder „partizipativ“ herausstreichen, aber eigentlich ist es viel profaner, wenngleich auch schwierig, seinen eigenen Stil zu beschreiben. Jeder von uns hat sich doch im Laufe seines Berufslebens mal über Vorgesetzte geärgert, so ist es mir auch ergangen. Mein Anliegen war immer, dass mein Team sich nicht über die gleichen Macken ärgern soll, über die ich mich früher ärgern musste. Ich denke, dies ist mir zum größten Teil gelungen, sodass meine Macken, und davon hat jeder Mensch einige, nicht als Macken der Chefin wahrgenommen werden, sondern als persönliche.
Wer hat Sie auf Ihrem bisherigen (Lebens-)Weg inspiriert?
Meine internationale Familie hat mich immer inspiriert, offen für Menschen und Kulturen aus aller Welt zu sein. Meine Chefs haben mich inspiriert, bei allen Entscheidungen die Mitarbeiter, die Politik und das sich permanent ändernde Umfeld zu berücksichtigen. Tolle Frauen in Führungspositionen haben mich inspiriert, selbstbewusster zu werden, an mich zu glauben und dabei immer Frau zu bleiben.
Was würden Sie Kolleginnen am Anfang ihrer Karriere mit auf den Weg geben?
Seien Sie mutig, Aufgaben anzunehmen, auch wenn Sie noch nicht viel von dem Fachgebiet wissen. Seien Sie offen für neue Herausforderungen, die Ihnen zunächst groß erscheinen, aber spannend wirken. Pflegen Sie ein Netzwerk mit Frauen und Männern, die Sie in Ihrem Leben kennenlernen, bewundern und bei Bedarf kontaktieren können. Gehen Sie ins Ausland, wenn sich die Chance ergibt, um völlig neue Arbeitsweisen kennenzulernen. Versuchen Sie herauszubekommen, worin ihre Stärken liegen, auch wenn es eine Zeit dauert. Aber vernachlässigen Sie bei Ihrem Karriereweg nie Ihre Familie und Ihre Freunde, die Ihnen vertrauensvoll zur Seite stehen und Ihnen Kraft geben, gerade auch in schwierigen Zeiten. Und wenn Sie Niederlagen erleiden, gilt der Spruch: „Hinfallen, aufstehen, Krone richten und weitergehen!“
Welche positiven Eigenschaften besitzen Frauen am Arbeitsplatz, aus denen wir alle mehr machen sollten?
Wir können am Arbeitsplatz immer von Menschen mit positiven Eigenschaften lernen, egal ob sie Frauen oder Männer sind. Stereotype im Hinblick auf Männer- oder Fraueneigenschaften helfen meines Erachtens nicht weiter. Wir sollten als Führungskräfte immer dafür sorgen, Teams zusammenzustellen, die in Summe möglichst viele positive Eigenschaften haben und sich gegenseitig ergänzen. Menschen mit Klasse haben emotionale Intelligenz, gutes Benehmen, Wertschätzung und Respekt anderen gegenüber. Auch am Arbeitsplatz sollte jeder gute Moralvorstellungen und positive Interaktionen mit anderen leben. Verantwortungs- und Kompromissbereitschaft sind genauso wichtig wie Zielstrebigkeit und Lernbereitschaft. Eine konstruktive Gruppenintelligenz entsteht dann im Unternehmen, wenn eine Balance zwischen weiblichem und männlichem Führungsstil gefunden wird.
Warum, glauben Sie, reden wir immer noch über Geschlechterungleichheit bei der Arbeit? Und warum, glauben Sie, entwickelt das Thema heute so eine Dynamik, vielleicht mehr als jemals zuvor?
Wir leben in einer Welt, die gerade dabei ist, sich selbst zu digitalisieren. Algorithmen sollen immer mehr den Menschen kategorisieren, vielleicht auch ersetzen. Ob das wirklich funktionieren kann, sei dahingestellt. Aber klar ist: Es könnte überhaupt nur funktionieren, wenn alle Menschen gleich wären. Und hier liegt meiner Meinung nach ein großes Problem der derzeitigen Debatte: Geht es um Gleichmacherei oder um Chancengleichheit? Das sind zwei völlig verschiedene Dinge, denn ich möchte nicht als Mensch wahrgenommen werden, der nur zufällig Kleider statt Anzüge trägt und ansonsten austauschbar ist. Für mich geht es auch nicht darum, ob mein männlicher Kollege in einer anderen Landesmarketingorganisation mehr oder weniger Gehalt bekommt als ich. Wenn es mehr sein sollte, hat er gut verhandelt – Chapeau. Wenn nicht, habe ich halt gut verhandelt. Und Tarifverträge machen keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Die Unterschiede resultieren doch daraus, dass in den Köpfen vieler Menschen immer noch „Die Putzfrau“ auf der einen und „Der Geschäftsführer“ auf der anderen Seite steht. Und damit wären wir wieder bei den Stereotypen oder bei der Karriereplanung. Das aber kann nicht verordnet, sondern muss gelebt werden.