Personalmangel, ein kurzfristigeres Tagesgeschäft, Lieferengpässe, die Klimakrise, steigende Preise – die M.I.C.E.-Branche steht aktuell vor vielen Herausforderungen. Zudem sind einstige Trends wie ein starker Fokus auf Nachhaltigkeit, die Digitalisierung oder Storytelling längst feste Bestandteile von Anforderungsprofilen geworden. Doch wie gehen Anbieter mit den veränderten Bedingungen um und welche Anpassungen haben sie vorgenommen, um Schritt zu halten? Von Schottland über Italien bis nach Oman geben Branchenexperten ihre Einschätzung zum Thema.
Dem Personalmangel mit attraktiven Ausbildungsprogrammen entgegenwirken
In Folge der Pandemie beschäftigt die Eventbranche ein Thema ganz besonders: Personalmangel. Volle Hallen, ausgebuchte Stadien und Messen, die wie gewohnt stattfinden – der „alte“ Arbeitsalltag ist zurück, doch vielerorts fehlen die Fach- und Nachwuchskräfte. Im Sultanat Oman ist dies nicht anders. „Nicht nur Omanis, sondern auch Bewerber aus anderen Ländern zu finden, die im Eventbereich arbeiten möchten, gestaltet sich schwierig“, erklärt Lujaina Al Maskari, Business Events Executive beim Oman Convention Bureau. Und das in einem Land, in dem der Anteil an ausländischen Arbeitskräften rund 40 Prozent der Bevölkerung umfasst. „Für PCO‘s ist es eine sehr große Herausforderung, Seniorpersonal zu gewinnen oder jemanden zu finden, der bereits Erfahrung mit PCO‘s hat“, erläutert sie weiter. Und so müssen Anbieter viel Zeit und Geld in die Ausbildung ihrer Arbeitnehmer investieren. „Das Oman Convention Bureau bietet fortlaufend Schulungen und Workshops an, häufig in Zusammenarbeit mit internationalen Verbänden wie SITE oder ICCA, die Mitarbeiter von DMC‘s, Hotels und anderen Anbietern nicht nur qualifizieren, sondern gleichzeitig auch für den internationalen Markt zertifizieren“, sagt Al Maskari. Dadurch würden die Partner im Bereich Training ihrer Angestellten stark entlastet.
Stephanie Frühauf, Cluster Director beim Bavaria Sales Office in München (verantwortlich für Science Congress Center Munich, Munich Airport Marriott Hotel, Courtyard by Marriott Munich Garching, Courtyard by Marriott Oberpfaffenhofen Munich South, Stellaris Apartment Hotel Garching), berichtet, dass der Personalmangel „zu einem branchenweiten Umdenken führt und mehr Flexibilität, genaueres Hinhören und Achten darauf, was der Bewerber und potenzielle Mitarbeiter will und leisten kann, erfordert.“ In der Hotellerie bestünde der große Vorteil, dass Arbeitszeiten und Modelle angeboten werden könnten, die in anderen Branchen vor der Krise noch undenkbar waren.
Die amerikanische Hotelgruppe Wyndham Hotels & Resorts mit über 9.000 Häusern weltweit setzt auf technische Unterstützung zur Entlastung ihrer Mitarbeiter. „Präsenzveranstaltungen nehmen aktuell wieder sehr stark zu. Um Eventplaner bestmöglich zu bedienen und auch die Hotelteams im M.I.C.E.-Bereich zu entlasten, setzen unsere Hotels heute verstärkt auf technische Trends und neue digitale Tools“, erklärt Sascha Dalig, Regional Director Central Europe bei Wyndham Hotels & Resorts EMEA. „Dazu zählen beispielsweise Anwendungen, die es den Meetingplanern und Hotels ermöglichen, sich schnell und effizient über Gruppengröße, spezielle Wünsche oder den Ablauf der Veranstaltung auszutauschen.“
Nachhaltige Initiativen sind teils fester Bestandteil der Angebote
Bereits heute punkten viele Destinationen mit starken Angeboten rund um das Thema Nachhaltigkeit. So hat beispielsweise Schottland seine M.I.C.E.-Strategie komplett auf Nachhaltigkeit ausgerichtet: „Im Jahr 2020 hat VisitScotland Business Events die Kampagne ‚Journey to Change‘ ins Leben gerufen, deren Ziel es ist, Schottland als nachhaltiges Reiseziel für Business Events zu positionieren“, sagt Heather McNee, Business Development Manager bei VisitScotland Business Events. Dabei orientiert sich die Kampagne an den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. „Die soziale Verantwortung von Unternehmen steht bei vielen Organisationen ganz oben auf der Wunschliste. Wir ermutigen Eventplaner, das Erlebnis der Delegierten zu verbessern, indem sie verantwortungsvolle Organisationen wie Trees for Life und Invisible Cities in ihre Veranstaltungsprogramme einbeziehen“, führt McNee weiter aus. Zu den Angeboten dieser Unternehmen gehören die Renaturierung der Highlands oder eine Stadtführung mit einem Guide, der in der Vergangenheit obdachlos war. Darüber hinaus legen viele schottische Einrichtungen großen Wert darauf, den höchsten Nachhaltigkeitsstandards gerecht zu werden. „Das Edinburgh International Conference Centre (EICC) ist das erste Konferenzzentrum weltweit, das nach dem von Green Tourism verwalteten Green Meetings Standard akkreditiert wurde. Der Scottish Event Campus (SEC) in Glasgow ist der erste Veranstaltungsort überhaupt, der von der World Obesity Federation als ‚Silver Healthy Venue‘ ausgezeichnet wurde, und die Stadt rangiert im Global Destination Sustainability Index auf Platz vier. Wenn sich internationale Meinungsführer, Forscher und lokale schottischen Experten auf Veranstaltungen in Schottland treffen, können wir die Welt gemeinsam langfristig zum Besseren verändern. Deshalb haben wir Glasgow, Edinburgh, Aberdeen und Dundee dabei unterstützt, Legacy-Programme einzurichten, die das Engagement der lokalen Bevölkerung im Einklang mit den Sustainability Development Goals der UN bei wichtigen Events wie dem World Downs Syndrome Congress aktivieren und die Ziele der Veranstaltungen vor Ort umsetzen“, fügt McNee hinzu.
Auch im Oman werden alle Einrichtungen, die in den letzten Jahren eröffnet haben oder in nächster Zeit eröffnen, darunter das Konferenzzentrum OCEC und der Botanische Garten, nachhaltig betrieben und können entsprechende Zertifizierungen wie LEED vorweisen.
Norwegen sieht es als oberste Priorität, die Natur des Landes zu erhalten und bezieht die Bevölkerung dabei stark ein. „Wir arbeiten hart an einer nachhaltigeren Gesellschaft, und das gilt auch für den M.I.C.E.-Sektor,“ erklärt Kari-Anne Schwach, International Project Manager Meeting beim Norway Convention Bureau. „Wenn norwegische DMC‘s Incentive-Programme vorschlagen, konzentrieren sie sich darauf, diese so nachhaltig wie möglich zu gestalten.“ Als Beispiel nennt Schwach die Website von Visit Bergen, wo eine viertägige Incentivereiseroute vorgestellt wird, die auf Null-Emissions-Prinzipien basiert. Der Fokus des Programms liegt auf Aktivitäten in der freien Natur, für die Verpflegung werden nur lokale Lebensmittel verwendet und die Fortbewegung erfolgt ausschließlich mit Elektroautos. „In keinem anderen Land der Welt gibt es mehr Elektrofahrzeuge pro Kopf als in Norwegen: 54 Prozent aller im Jahr 2020 in Norwegen verkauften Neuwagen sind Elektrofahrzeuge, mehr als zwölf Prozent unseres gesamten Fahrzeugparks sind jetzt elektrisch. Das Auto mit den höchsten Verkaufszahlen in Norwegen im Jahr 2020 ist ein Elektroauto: der Audi e-tron“, erläutert sie weiter.
Für das Bavaria Sales Office gehört zum Thema Nachhaltigkeit auch dazu, „zu zeigen, was ‚zu Hause‘ möglich ist und wie man ressourceneffizient und umweltfreundlich reisen, arbeiten und feiern – und gleichzeitig eine erfolgreiche Veranstaltung durchführen kann“, sagt Frühauf.
Das Convention Bureau Italia hat einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung für seine Partner entwickelt, um herauszufinden, wo die Unternehmen innerhalb von Italiens M.I.C.E.-Branche in Sachen Nachhaltigkeit stehen. „Das Thema ist real und dringend: Es ist notwendig, Maßnahmen zu ergreifen und ein ausgewogeneres Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu entwickeln, da es nicht nur unsere Arbeit, sondern auch unser Leben und das der kommenden Generationen betrifft. Gleichzeitig sehen wir die Notwendigkeit, das Thema Nachhaltigkeit so korrekt und pragmatisch wie möglich zu formulieren“, erklärt Tobia Salvadori, Director beim Convention Bureau Italia. Der Fragebogen soll Unternehmen als Unterstützung dienen, die Nachhaltigkeit in ihre Geschäftsabläufe integrieren möchten. Die Umfrage läuft noch bis Ende Mai 2023– nach der Auswertung soll Informationsmaterial zu den wichtigsten Nachhaltigkeitsaspekten für den italienischen M.I.C.E.-Sektor bereitgestellt werden.
Positives Fazit
Die Pandemie hat in der Eventbranche auch positive Entwicklungen vorangetrieben – von einer verbesserten Digitalisierung bis hin zur Öffnung des Sektors für neue Sichtweisen. So auch im Bereich Remote-Arbeit: „Die Kombination von M.I.C.E.-Events mit Freizeitelementen, beispielsweise durch Remote Work und Workations im Team, ist ein Trend, den wir durch unser ‚Work from Wyndham‘-Programm fest in unser Angebot integriert haben“, sagt Dalig.