Die Prognosen für ein erfolgreiches Jahr 2020 sahen gut aus! In Gesprächen mit Kollegen und Freunden aus der Branche konnte ich entnehmen, dass auch andere positiv und mit einer vielversprechenden Stimmung in das neue Jahr gestartet sind.
Aber dann kam es für uns alle, für die gesamte Welt ganz anders! Eine Pandemie, die für uns alle beruflich wie auch privat eine Herausforderung werden wird. Ein Zustand, mit dem wir alle nicht gerechnet haben.
Stillstand nicht nur für unser Branche, sondern für die ganze Welt!
Wenn wir eine Zeitachse der Entwicklung aufzeichnen, von den ersten Informationen im Dezember aus China, dem Lockdown Ende Januar in Wuhan, bis jetzt zu dem Lockdown in Europa und in vielen Ländern der Welt, dann hat sich die Situation rasant schnell entwickelt. Jetzt herrscht eine wirtschaftliche und finanzielle Krise nicht nur für unsere Branche, sondern für die gesamte Welt!
Menschen tendieren dazu eine Krise wegzuschieben – das Problem ist ganz weit weg, ich, wir sind nicht betroffen, tatsächlich aber ist es doch schon ganz nah – und wenn wir gar nicht mehr die Augen verschließen können, dann ist es aber meistens schon zu spät!
Eine Welt, zwischen Angst und Coolness
Ich habe die letzten Wochen vor dem Lockdown beobachtet und was Prof. Dr, Christian Drosten, Institutsdirektor für Virologie in der Charité, während einer Talkrunde bei Maybrit Illner (am 27. Februar 2020) gesagt hat, trifft es ganz gut: „Eine Bevölkerung, die seit ein paar Tagen schwankt zwischen Angst und Coolness.“ Das habe ich auch in unserer Branche, in Social Media, in der Veranstaltungskommunikation, in persönlichen Gesprächen und bei Reaktionen von Kunden erlebt. Auf der einen Seite Menschen, die sarkastisch oder ignorant reagieren und die Situation herunterspielen und auf der anderen Seite Menschen, die nachdenklich, besorgt und vorsichtig sind. Jeder darf seine eigene Meinung haben und die auch verbreiten, aber als Firma oder als Veranstalter, die in irgendeiner Form Krisenmanagement und Krisenkommunikation betreiben, sollten persönliche Annahmen und Meinungen tabu sein.
Krisenmanagement, insbesondere in der Kommunikation ist wahr, eindeutig, lage gemäß, transparent und faktenbasiert. Und das ist auch meine Empfehlung. Krisen sind dynamisch und wir haben nicht das Wissen, was als nächstes passiert. Daher können wir nur den aktuellen Stand, die Fakten zum jetzigen Zeitpunkt mit in unser Krisenmanagement einbinden und Entscheidungen treffen, die zu der Zeit sinnvoll erscheinen.
67% der teilnehmenden Firmen in der MICE Branche hatten vor COVID-19 kein Krisenmanagement. Auch ich bin durch COVID-19 dazu übergegangen, Meetings als Videokonferenz abzuhalten, Vorträge zu streamen oder Schulungen als Webinar durchzuführen. Das Thema MICE- Krisenmanagement ist momentan aktueller den je und es ist wichtig über den virtuellen Raum Fachwissen zu teilen und das Thema MICE-Krisenmanagement ins Bewusstsein der Veranstaltungsbranche zu bringen.
Wir müssen unbedingt umdenken – zeitgemäß und verantwortlich!
Am 6. Mai 2020 auf der Plattform ibtm connect der ibtm World habe ich ein Webinar zu dem Thema „MICE-Crisis Communications and post-COVID-19“ mit 560 registrierten Teilnehmern gehalten. Die Umfrage hat ergeben, dass vor COVID-19 nur bei 32% der teilnehmenden MICE-Unternehmen eine Krisenmanagement-Strategie hatten. Das ist Besorgnis erregend! Denn, die Veranstaltungen, die bisher kein Krisenmanagement im Veranstaltungskonzept integriert haben, werden dann einfach überrannt und der ‚Schock‘ sitzt tief. Ohne geeignete Maßnahmen und Handlungsstrategien ist eine Krise kaum einzufangen und die Reputation eines Unternehmens kann eventuell irreparablen Schaden erleiden.
‚Eine Krise entlarvt alle‘ – Cole Mason
In einer Krise wird bewertet wie wir mit unseren Mitarbeitern, mit unseren Partnern und Stakeholdern umgehen und kommunizieren. All diese Gruppen sind betroffen und benötigen aktuelle und transparente Informationen, um den Prozess nachvollziehen zu können. Da geht es dann im Falle von COVID-19 um die Existenz des Kunden, den Dienstleistern, den Agenturen und der Location. Wenn aber nicht klar kommuniziert wird und die betroffenen Partner nicht in den Prozess einbezogen werden, hinterlässt das einen bitteren Beigeschmack. Wenn wir uns nach einer Krise wieder treffen, sollten wir uns doch gegenseitig in die Augen sehen können!
Seitdem wir MICE – Krisenmanagement anbieten und gemeinsam Veranstalter, PCO’s, Locations und Agenturen bei der Entwicklung von eigenen Strategien beraten, hören wir sehr oft aus der Geschäftsführungsebene der Firmen: „Wir brauchen das nicht, uns ist noch nie was passiert! Irgendwie geht das schon immer gut aus! Wir sind versichert“. Aber ist das wirklich so? Reicht das in der heutigen Zeit? Und was ist mit dem Projektteam, und den Mitarbeitern, die meistens das ganze ausbaden müssen? Krisenmanagement schärft das Bewusstsein des Projektteams und hilft professionell kritische Situationen und Krisen zu meistern. Insbesondere bei einer Veranstaltung ist das Hauptziel so schnell wie möglich wieder zum Normalbetrieb überzugehen.
Krisenmanagement bedeutet, das Problem erkennen, akzeptieren und dann Lösungen zu finden
Eine gute Krisenmanagement-Vorbereitung bedeutet schnell zu analysieren, zu reagieren und effektiv Entscheidungen zu treffen. Insbesondere ohne Vorbereitung von einer geeigneten Krisenkommunikation-Strategie läuft man nur noch der Krise hinterher.
Als MICE-Krisenmanagerin bin ich nicht Teil der Organisation/des Kunden – im MICE-Sektor hat kaum jemand einen Inhouse Krisenmanager, daher kann ich im Vorfeld Veranstaltungskrisen-Strategien gemeinsam mit dem Kunden entwickeln und während der akuten Phase der Krise mit meinem Fachwissen den Kunden darin unterstützen, die Krise einzufangen und zu lenken. Entscheidungen muss der Kunde allerdings, aus rechtlichen Gründen, dann aber allein treffen. Hier können wir nur beratend zur Seite stehen und Handlungsempfehlungen geben.
Die Veranstaltungen, die bisher kein Krisenmanagement im Veranstaltungskonzept integriert haben, werden einfach überrannt, was meistens zu einem Tunnelblick bei den Betroffenen führt. Da kann ich dann nur noch als Krisenmanagerin aus der Meta Ebene schauen, wie ich helfen kann und wie auf Augenhöhe für alle Beteiligten Kompromisse und Lösungen entwickelt werden können.
Im Falle von COVID-19 geht es um die Existenz vom Kunden, den Dienstleistern, den Agenturen und der Location. In den Abwicklungen von stornierten Events während COVID-19 werden eventuell auch einfache Fragen als unlösbar angesehen. Beispielsweise „Was machen wir mit dem ganzen Catering?“. Aus der Krisenmanager-Vogelperspektive – das bedeutet auf Lösungen fokussiert zu sein – können wir manche Dinge ganz einfach lösen. Hier genügt der Anruf bei der Berliner Tafel, die sehr gerne die ungekochte Ware übernehmen. So eine Lösung ist simpel und in einer normalen Situation einfach von jedem umsetzbar, aber in einer Krise, kommt ein Betroffener meistens nicht auf diese einfache Lösung und ist daher sehr dankbar über lösungsorientierte Vorschläge von außen.
Gemeinsam, miteinander als Eventteam
Weit schwieriger gestalten sich dann Lösungen, wenn es um die Zahlungen der Leistungen geht. Dabei geht es um die eigene Existenz. ‚Wir haben Verständnis für den Kunden, aber auch wir benötigen die finanziellen Mittel und können auf keinen Kompromiss eingehen.‘ Ich habe mich daher sehr gefreut eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten einen guten Kompromiss darstellt. Bucht der Kunde nächstes Jahr erneut die Location und Dienstleister, wird es dann einen Rabatt geben. Mein größter Erfolg ist es, wenn wir als Team gemeinsam eine Einigung und gemeinsame Lösungen finden. COVID-19 ist und bleibt für alle eine Herausforderung, aber nur gemeinsam und in der Zusammenarbeit schaffen wir das!
Nur weil sich Organisationen mit der COVID-19-Krise auseinandergesetzt haben, bzw. sie irgendwie überstanden haben, bedeutet das nicht, dass sie für die nächste kritische Situation oder Krise bereit sind. Ein gefährlicher Trugschluss! COVID-19 hat zwar das Verständnis für die Notwendigkeit für Krisenmanagement verändert, aber ob tatsächlich eine Umsetzung in der Zukunft erfolgt bleibt noch abzuwarten. Ich bin der festen Überzeugung, dass Krisenmanagement für unsere Branche genauso relevant ist wie die Digitalisierung. Und kein zukünftiges Veranstaltungskonzept wird weder ohne Krisenmanagement noch digitale Veranstaltungsformate möglich sein. Es wird von uns als Veranstalter erwartet, dass wir allumfassend handeln, reagieren und Entscheidungen treffen. Ebenso wie Verantwortung und soziales Engagement für unsere Teilnehmer, unsere Aussteller, Partner und andere Stakeholder zu zeigen.
Und jetzt ist noch Zeit fürs Umdenken – jetzt muss gehandelt, sich vorbereitet und Gedanken über die Risiken und deren Maßnahmen für die Zukunft gemacht werden. Vor die Lage kommen und nicht hinterherrennen – das wünsche ich jeder Organisation – und das macht Krisenmanagement so wertvoll. Ich bin so viel entspannter seit ich Krisenmanagement in meine Konferenz- und Eventkonzepte integriere. Ich kann nur nochmals betonen: Wir müssen das jetzt in Angriff nehmen, damit wir zukünftig besser reagieren können!!
Prepare for the worst and hope for the best!
Expertin: Steff Berger ist Beraterin in der Konferenz- und Veranstaltungsbranche. Ihre Firma „Vobe – Inspires People GmbH“ steht seit der Gründung im Jahr 2010 Konferenzverbänden bei der Logistik und Organisation von Veranstaltungen mit bis zu 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in ganz Europa unterstützend und beratend zur Seite.
Zudem ist Steff Berger BCM-zertifizierte Krisenmanagerin. Ihr Spezialgebiet ist Krisenmanagement für den MICE-Sektor. VOBE – Inspires People GmbH hat ein ressourcenorientiertes MICE-Krisenmanagement-Konzept entwickelt und unterstützt Verbände, PCOs und Agenturen bei der Entwicklung eigener MICE-Krisenstrategien – und befähigt Event- und Konferenzteams in kritischen Situationen zu agieren und reagieren.
Steff Berger verfügt über mehr als 19 Jahre Erfahrung in der Konferenz- und Eventbranche, spricht regelmäßig auf Veranstaltungen weltweit und hält Workshops, Webinare und Seminare zum Thema MICE-Krisenmanagement.